Unterrichtsmaterialien nach Kategorien

„Justiz in der Schule“ – Materialien für den Unterricht

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1. Hintergrund

Der bedeutende griechische Philosoph Aristoteles definiert den Menschen als „zoon politikon“, als ein „politisches Lebewesen“. Nur in der Gemeinschaft, in der „Polis“ kann der Mensch sich verwirklichen.

Die gesellschaftspolitische Zielsetzung von Schule und Unterricht berücksichtigt diese grundlegende Tatsache. Diese Zielsetzung wurde im „Grundlagendekret“ vom 31. August 1998 und im Dekret zur Festlegung von Kernkompetenzen und Rahmenplänen vom 16. Juni 2008 festgeschrieben. Die Schüler sollen nicht nur in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert, sondern auch befähigt werden, bei der Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Familie, in und außerhalb der Schule, im Beruf, in der Gesellschaft und im Staat Mitverantwortung und Aufgaben zu übernehmen. Die Schule hat demzufolge „die Aufgabe, bei allen Schülern einen Sinn für das Gemeinwesen und demokratisches Grundverhalten zu entwickeln, indem sie ihr Interesse für gesellschaftliche, politische, kulturelle und wirtschaftliche Zusammenhänge weckt. Sie bereitet die Schüler darauf vor, im gesellschaftlichen und beruflichen Leben eine aktive und kreative Rolle zu übernehmen.“ Um Schüler auf diese Mitwirkung in der Gesellschaft vorzubereiten, schafft die Schule Möglichkeiten, „die es der gesamten Schulgemeinschaft erlauben, in schulischen Fragen mitzuwirken, die sie betreffen.“ Schule ist derart zu gestalten, dass sie demokratisches und freiheitliches Miteinander erlebbar macht.

Damit Gemeinschaft gelingt, müssen Kinder und Jugendliche schon früh zu Selbstbestimmung, zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement befähigt werden. Zielsetzung des Unterrichts ist es, die jungen Menschen zu kritikfähigen, toleranten und selbstlos handelnden Menschen und zu politisch handlungsfähigen Bürgern zu erziehen. In allen Fächern sind die Lerninhalte und die Lernziele diesem allgemeinen Bildungsideal unterzuordnen.

Um die Schüler auf diese aktive Teilnahme an der Gestaltung des Gemeinwohls vorzubereiten, werden in allen Unterrichtsfächern überfachliche Kompetenzen entwickelt. Die überfachlichen Kompetenzen sind eine Grundlage zur Erreichung allgemeiner Bildungsziele und eine wichtige Voraussetzung für die persönliche Entwicklung jedes einzelnen Schülers. 

Neben der Methodenkompetenz ist es wichtig, die Personal- und Sozialkompetenzen der Schüler zu stärken. Dazu gehören u.a. das Ausbilden von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, die Entwicklung der kritischen Urteilsfähigkeit und der kritischen Selbstwahrnehmung, das Entwickeln der Konfliktfähigkeit, das Einhalten der Werte- und Normvorstellungen. Schüler müssen die Folgen von Delikten und Verbrechen sowohl für Täter und Opfer als auch für die Gesellschaft einschätzen lernen, rechtliche Grundkenntnisse erwerben und die Entstehung und Funktion von Normen und Werten kennen.

Da Demokratie und gesellschaftliches Engagement nicht naturgegeben sind, ist es unerlässlich, dass Schule und Unterricht wesentlich zur Erhaltung demokratischer Strukturen und Verhaltensmuster beitragen. Die Schule würde ihrem Auftrag nicht gerecht, wenn sie diese Aspekte vernachlässigen oder gar ignorieren würde. Kindern und Jugendlichen muss Verantwortung übertragen werden, ihr Rechtsbewusstsein muss geschärft werden; sie müssen sich an Werten und Normen orientieren.

2. Das Projekt

Daher unterstützt die Deutschsprachige Gemeinschaft die im Jahre 2005 vom Hohen Justizrat gestartete Initiative „Justiz in der Schule“. Ziel dieser Initiative ist, in allen drei Gemeinschaften Belgiens im Rahmen der bestehenden Lehrpläne Unterrichtsmaterialien zu erstellen, die Schülern und Lehrlingen verschiedener Alterstufen die Bedeutung der Justiz in einer demokratischen Rechtsordnung verdeutlichen. Dadurch soll einerseits das Vertrauen der Bürger in die Justiz gestärkt und sollen andererseits demokratische Verhaltensmuster bei Kindern und Jugendlichen verankert werden.

Zur Verwirklichung dieses Projektes wurde im September 2006 ein Forschungsauftrag an der Autonomen Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (AHS) vergeben. Werner Miessen wurde beauftragt, „nach pädagogischen und didaktisch-methodischen Gesichtspunkten altersgerechte Unterrichtsmaterialien sowohl für die Primarschule als auch für den technischen und den allgemeinbildenden Sekundarunterricht und für Lehrlinge, die einer Ausbildung in den Zentren für Aus- und Weiterbildung des Mittelstandes folgen“, zu erstellen. Unterstützt wurde er in dieser Aufgabe von Rechtsanwalt Marc Lazarus, der als juristischer Berater fungierte, und einer Arbeitsgruppe, der Vertreter der Justiz, der Schulen, des Fachbereichs Pädagogik und des Kabinetts des Unterrichtsministers angehörten.

3. Die Unterrichtsmaterialien

Eine umfangreiche Sammlung didaktischer Medien – Lesebücher für Schüler, didaktische Spiele, Unterrichtsanleitungen und Unterrichtsvorlagen, Handbücher für Lehrer, Broschüren, CD-Roms, DVDs usw. – entstand, deren Unterrichtstauglichkeit in einer Erprobungsphase von zehn Lehrpersonen aus dem Primar- und Sekundarschulbereich getestet wurde. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse wurde die definitive Auswahl der Materialien getroffen; unpassende Medien wurden aussortiert, neue in die Sammlung aufgenommen.

Die Sammlung enthält zuerst Informationen, die dem Pädagogen für die Behandlung des Themas „Justiz“ allgemein von Nutzen sein können (0), dann Nützliches zu elf justizrelevanten Themen, die auf Vorschlag der Arbeitsgruppe im Unterricht bei Schülern bis 14 Jahre zur Sprache kommen sollten (1-11), und schließlich juristische Hinweise, die nicht ausschließlich für die Unterrichtsgestaltung, sondern auch als Auskunft für den Lehrer gedacht sind (12-13).

Hier eine Übersicht der Themen:

1. Allgemeine Hinweise:

  • Menschenrechte
  • Kinderrechte
  • Zivilcourage
  • Gewalt
  • Mobbing
  • Scheidung
  • Schwänzen
  • Polizei
  • Diebstahl
  • Rechtsanwalt
  • Taschengeld

2. Juristische Information:

  • Zivilrechtliche Haftung von Eltern und Lehrern
  • Urheberrecht

Zu jedem Themenbereich wird eine Sammlung didaktischer Materialien geboten, die eine kreative Unterrichtsgestaltung ermöglicht.
Jeder Primarschulniederlassung, jeder Sekundarschule und den beiden Zentren für Aus- und Weiterbildung des Mittelstandes in Eupen und in St. Vith wurde ein Exemplar dieser Sammlung von Unterrichtsmaterialien zur Verfügung gestellt. Dies war möglich dank der finanziellen Unterstützung durch den Hohen Justizrat und die Anwaltskammer Eupen.

Die vorliegende didaktische Materialsammlung ist nicht als ein „endgültiges“ Resultat zu sehen. Das Gegenteil ist der Fall; es ist der Start zur Intensivierung der politischen Bildung und besonders zur Rechtserziehung in den Primar- und Sekundarschulen. Immer wieder muss die Sammlung vervollständigt und erneuert werden.